im Gegenüber - Diözesanprojekt Würzburg 2016

Zum menschlichen Leben gehört ein Gegenüber: Das Ich ist ohne den Anderen nicht denkbar. Dieses Andere ist nicht nachgeordnet, sondern konstitutiv für das Ich. Zeitdiagnostiker bescheinigen der heutigen Geselschaft einen weitgehend unbemerkt voranschreitenden Prozess der "Erosion des Anderen", in dessen Verlauf der Mensch als "homo incuravtus in se" (Augustinus) - als ein in sich verkrümmter Mensch - auftritt. Das Projekt Im Gegenüber nimmt diese gesellschaftliche Realität zum Anlass, in diesem schleichenden Prozess ein Ausrufezeichen zusetzen und die Spannung zwischen dem Ich und dem Anderen als Bedingung des Menschsein in den Blick zu nehmen. Der Mensch kommt zu sich selbst, indem er aus sich herausgeht und sich im Gegenüber findet.

Vier performative Musikveranstaltungen mit den Titeln REINIGEN, AUSEINANDERSETZEN, FRAGEN, SUCHEN, konzipiert von Kunsu Shim und Gerhard Stäbler, artikulieren ein Fest des Hörens, eine Hörreise, sich aufzumachen aus bekanntem Terrain ins Andere, ins Noch-zu-Erkundende. 

Ein ausführliches Interview mit Fotos aus den Projekten finden Sie hier: Hinblick. Aktuelles aus den Museen der Diözese Würzburg Nr. 38 (April bis Juni 2016)

 

REINIGEN: Konzert 
Aschermittwoch, 10.02.2016

Der Aschermittwoch der Künstler setzt sich mit dem Immerwährend-Fließenden, dem Kreislauf von Leben und Tod auseinander, einem archaischen Ritual des Reinigens, des Loslassens, der Entmaterialisierung, der Entsubjektivierung, um sich empfänglich zu machen für das Andere, das „Gesicht", dein Gesicht, das Gesicht eines Liebenden.
Kunsu Shims „Tree, Voice... to move" gestaltet zusammen mit einer performativen Klanginstallation von Bernd Bleffert und Gerhard Stäbler den Klangraum für den Ascheritus und öffnet ihn hin zur Welt draußen – vor dem Dom, wo zunächst – im Burkardushaus – Franz Liszt und Don Carlo Gesualdo wie zwei Portraits von gegensätzlichem Charakter das Bild des Verlustes und ein Bild des Du, des Erträumten formulieren.

Ausführende:

  • Vokalensemble der Dommusik
  • Camerata Würzburg
  • Kunsu Shim und Gerhard Stäbler
  • Mitglieder des Domchors und Jugendliche Musiker des Matthias-Grünewald-Gymnasiums (Performances)
  • Christian Schmid (Gesamtleitung)

Orte: Kiliansdom, Burkardushaus, Domplatz vor dem Kiliansdom
Datum: 10.02.2016, 16:00 bis ca. 19:30 Uhr

 

Vierteiliges Konzert AUSEINANDERSETZEN
Samstag, 04.06.2016, 16:00 bis ca. 22:00 Uhr 
Burkardushaus und Kiliansdom 

An vier Orten – dem Pavillon und Vorplatz des Burkardushauses, dem Kiliansdom und dem Kardinal-Döpfner-Saal des Burkardushauses im Zentrum Würzburgs – loten WECHSELSPIELE Wechselwirkungen des In-sich-Seins und des Ineinander-Seins aus. Das Gleiche und das Andere stehen dabei für das Gegenüber. Ohne Du, kein Ich, ohne Ich kein Du.
Werke von Anton Webern, Erik Satie, Charles Ives, John Cage, Iannis Xenakis und vor allem die Uraufführungen von Kunsu Shim und Gerhard Stäbler auf Texte von Hermann Schneider formulieren dazu – sich ergänzend, sich spiegelnd, sich widerstrebend – einen musikalischen Diskurs über das Untrennbare dieser synonymen Antipoden, über das Unterwegssein des Lebens selbst, „um besser darunter nachforschen, um immer wieder andere Spuren zu finden", wie es der argentinische Dichter Roberto Juaroz formuliert, dessen vertikale Poesie Basis der im Programm zentralen Stäbler'schen Chorkomposition „Papier.Wort.Tod.Spur" ist.

Ausführende:

  • Silje Aker Johnsen, Sopran
  • Paulo Alvares, Klavier
  • Felipe Senftinger, Violine
  • Kunsu Shim und Gerhard Stäbler, Performance
  • Vokalensemble am Würzburger Dom
  • Camerata Würzburg
  • Musikalische Gesamtleitung: Domkapellmeister Christian Schmid

Orte: Burkardushaus und Kiliansdom
Datum: 04.06.2016, 16:00 bis ca. 22:00 Uhr 

 

Konzert SUCHEN
Samstag, 02.07.2016, 19:00 bis ca. 20:30 Uhr
Kiliansdom 

Musikalische Landschaften machen den letzten Beitrag zum Projekt "Im Gegenüber" aus. Landschaften – bunte Häuser, sanfte Hügel, silbrig leuchtende Seen – in der Musik sind allerdings keine Bilder, sie sind nicht das Andere, das Hören zum Hören macht. Die Musik gestaltet Landschaften der Liebenden mit den Geheimnissen der Liebe, die aufsteigen, wenn das Glückliche fällt. Es sind Landschaften sich unendlich ineinander schlingender Wolken von Träumen, Wünschen und Fernen des anderen Morgens – mit sphärischen Klängen leerer Blechdosen, ratternder Orgelpfeilen, brummender Flieger, sonorer junger Kehlen und einer großen Stille ...
SUCHEN entwirft mit Werken u. a. von Joseph Byrd, John Cage, Christian Jendreiko, Yves Klein, Jeff Kowalkowski, Uikyung Lee, Alvin Lucier, Bernd Preinfalk, Alwynne Pritchard, Kunsu Shim, Gerhard Stäbler und Amnon Wolman musikalische Landschaften, die wie ein sanfter Frühlingsregen auf uns fallen, uns zur Feier.

Ausführende:

  • Domorganist Stefan Schmidt, Orgel
  • Kunsu Shim und Gerhard Stäbler, Performance
  • Christian Jendreiko, Jeff Kowalkowski, Uikyung Lee, Bernd Preinfalk, Alwynne Pritchard und Amnon Wolman, Performance
  • Jugendensemble der Dommusik Würzburg
  • Streichorchester des Matthias-Grünewald-Gymnasiums Würzburg
    Leitung: Ulrich Stinzendörfer
  • Musikalische Gesamtleitung: Domkantor Alexander Rüth

Ort: Kiliansdom
Datum: 02.07.2016, 19:00 bis ca. 20:30 Uhr

 

Theater-Projekt RESONANZEN
Sonntag, 02.10.2016, 19:00 bis ca. 23:30 Uhr
Burkardushaus 

RESONANZEN ist eine Kooperation zwischen dem Schlosstheater Moers und Kunsu Shim und Gerhard Stäbler. 
In den drei Themen werden Musik und Text nebeneinandergesetzt und als eigenständige Medien gegenseitig auf ihre Resonanzräume und Wirkungen untersucht. 
„319ff“ beschreibt durch die Stimmen der Zeugen, Angeklagten und Anwälte im NSU-Prozess das Ausmaß der Verstrickungen rechtsextremer Gewalt und Rasssismus. 
„Bilder deiner großen Liebe“, der Roman von Wolfgang Herrndorf, schildert mit der Reise der ungreifbaren Isa auch eine Grenzerfahrung zwischen Leben und Tod. 
„Die große Wanderei“ zeigt, dass Migration eher die Regel als die Ausnahme ist und erzählt vom Wandern als Grundstruktur des menschlichen Seins zwischen Fremdheit und Zukunftsgewissheit.

Mitwirkende:

  • Kunsu Shim und Gerhard Stäbler (Komposition/Performance)
  • Magdalene Artelt, Patrick Dollas, Matthias Heße, Marissa Möller, Frank Wickermann (Schauspieler des Stadttheaters Moers)
  • Thorsten Gellings, Schlagzeug und Ensemble CRUSH (Musik)
  • Ulrich Greb, Kathrin Leneke (Szenische Einrichtung)
  • Annika Stadler, Georg Mellert (Dramaturgie)

Ort: Burkardushaus
Datum: 02.10.2016, 19:00 bis ca. 23:30 Uhr

top