Palast des
Schweigens für das japanische Blasinstrument Sho entstand zur Jahreswende
1992/93 vor allem während eines Aufenthaltes in Chicago. Die Komposition
ist Miyumi Miyata in herzlicher Freundschaft gewidmet, verbunden mit großem
Dank für ihre umfassende Einführung in das Wesen des Instruments.
Palast des Schweigens gehört zu einer Reihe von zusammenhängenden
Studien zur Oper Kassandra und reflektiert bestimmte Aspekte der Erzählung
Kassandra von Christa Wolf. Palast des Schweigens bezieht
sich auf folgende Passage:
...Schroffer als nötig fragte ich die Mütter, warum nach ihrer Meinung einer, ein ganz bestimmter unter den Dutzenden von Söhnen des Priamos nicht habe aufgezogen werden sollen. Nicht aufgezogen? Das Wort selbst schienen die drei alten Heuchlerinnen nicht zu kennen. O nein, gewiss nicht. Das habe es zu ihrer Zeit nicht gegeben. Nicht daß sie wüssten. Bis eine, fast träumerisch, verlauten ließ: ja, wenn Aisakos lebte! Aisakos? Blitzschnell stieß ich nach. Dreifaches Schweigen. Auch Oinone schwieg. Sie war, was denk ich da. Ist! - in meinem Leben die Schweigsamste. Auch der Palast. Ein Palast des Schweigens. Hekabe, ihren Zorn unterdrückend, schwieg. Parthena, die Amme, ihre Angst offen zeigend, schwieg. Ich lernte, in dem ich die Arten zu schweigen beobachtete. Viel später erst lernte ich selbst das Schweigen, welch nützliche Waffe...
Gerhard Stäbler