...so weckten mich einmal - in San Francisco - frühmorgens Müllarbeiter ziemlich jäh, vor allem durch ihren Wagen. Zuerst war ich verärgert, weil er wahnsinnigen Lärm von sich gab, der sich direkt in meinen Kopf bohrte und im Gehirn verkrampfte. In gut einer Viertelstunde löste sich aber der Krampf, musste sich lösen, weil ich allmählich von den lauten Klängen des Müllautos derart fasziniert war, daß ich die unfreiwillige Unterbrechung des Schlafens vergaß. Es waren Klänge, äußerst klar konturiert, und immer von ziemlicher Dauer: Geräusche vom hydraulischen Auffahren und Aufklappen der hinteren Luke und dann, während das Fahrzeug offen war, der Sound einer - meist erschreckend reinen - großen Terz, die plötzlich in ganz tiefe Frequenzbereiche zusammensackte. Das blieb im Gedächtnis haften, setzte sich fest, schließlich habe ich es auch notiert, und es wurde Bestandteil der Komposition, die ich den Müllfahrern von San Francisco widmete. Der Untertitel lautet: Ein Akronym aus akustischen Erinnerungen an eine Reise (wobei der Singular hier natürlich als pars pro toto zu verstehen ist). Ein Akronym ist ein aus mehreren Buchstaben zusammengesetztes neues Wort. Hier handelt es sich allerdings statt um ein Wort eben um Musik, die von unterschiedlichsten Einfüssen und untergründig wirkenden Mechanismen geprägt ist. Konstitutiv für das Rhythmische sind dabei - gleichsam geheim, weil unhörbar bzw. nicht direkt hörbar - weite Teile des Gedichtes Amerika von Allen Ginsberg, der eine zeitlang in San Francisco lebte. Das Gedicht ist hier codiert, d.h. in Morserhythmen übertragen: Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, Zeile für Zeile, die bei sich ständig ändernden Binnenrhythmen zunächst auch sukzessiv ablaufen, sich dann aber verdichtend übereinanderschichten.

Gerhard Stäbler