Der originale Text von Oswald de Camargo – eindeutig, klar, direkt, das Gerechte, Menschliche fordernd – wie seine Übertragung in eine fremde Sprache, in diesem Fall die deutsche – ist rhythmisch codiert in der Musik immer präsent, wird aber nur manchmal, weil gesprochen, direkt vernehmbar. Die rhythmische Transformation orientiert sich am "Morsen"; das Morsen selbst ist dabei insoweit von Interesse, als es ein Symbol dafür darstellt, verschlüsselte Botschaften an Eingeweihte, Sich wechselseitig Verstehende oder solche weiterzutragen, die sich vorbereiten, Gegner, sagen wir es offen: Ausbeuter zu bekämpfen und sich – insgeheim – vor ihnen schützen zu müssen. Und: eine rhythmische Transformation, die auf einer Morsecodierung beruht, garantiert – fernab jeglicher stupider Schematisierung – immense Vielfalt und gebärt einen musikalischen Duktus, der niemals stampft, marschiert, sondern Phantasie atmet. Eine bloße Übertragung von Buchstabe zu Buchstabe bzw. von Wort zu Wort ins Morsen ist aber schlicht Ausgangsmaterial, obgleich dennoch gerade die untergründige Anwesenheit von bestimmten Teilen des Gedichts formal Bedeutung gewinnen kann bzw. gewinnt. Was musikalisch vorrangig ist, ist der Gestus, den das Codierte dadurch bekommt, dass die beiden Morseelemente "kurz" und "lang" höchst unterschiedlich definiert sind und sich dabei in den Dauern annähern-, aber auch extrem entfernen können. Die kompositorische Strukturierung von Zeit und Klang gerät so zum Kommentar der dichterischen Vorlage, folgt ihrer bitteren Anklage und lässt – wie im Gedicht – ohne Blendwerk sprechen, Äußerstes von Spielern und Hörern abverlangend – denn angesichts der Enge des Pfades wäre eine Normalität schwelgender Klänge der Welt, die diese Enge vorgibt, Hohn.
Gerhard Stäbler