Ausnahme.Zustand – Ein musikalischer Diskurs über das Unheil der Automation für Orchester entstand 1997/98 für das Symphonieorchester Münster. Ausgehend vom Essay zur Dromologie Geschwindigkeit und Politik des französischen Philosophen Paul Virilio nimmt die Komposition Bezug auf Werke der vergangenen zwei Jahrhunderte, die sich mit Ausnahmezuständen befassen, Kriegen vor allem und dem Begehren, ihnen zu wehren. Ludwig van Beethovens Wellingtons Sieg, Peter Tschaikowskijs Ouvertüre in Es-Dur von 1812 gehören ebenso dazu wie Lieder aus Gustav Mahlers Des Knaben Wunderhorn und Kurt Weills Berliner Requiem. Sie liefern das harmonisch-melodische Reservoir für verschiedene, sich krass widersetzende Strukturen, die in Bezug auf die Präsenz extremer Geschwindigkeit und zunehmend verordneten Festgezurrtseins das äußerste von den Spielern abverlangen. Nur das "Treffen", das Kennenlernen dieser "Zustände" zeitigt Beherrschung, denn nur aus der Diskussion der Ursachen geraten Fundamente ins Wanken, werden "Zustände" entfesselt und geben Raum für frei(er)es Atmen.
Gerhard Stäbler