Nein, ein
ãrichtigesÒ Orgelwerk hatte ich bisher noch nicht geschrieben. Doch: eins
entstand Ende der 60er Jahre, als ich in Detmold studierte, und wurde dort auch
von mir uraufgefŸhrt, aber es ist verschollen und selbst an seinen Titel
erinnere ich mich nicht, nur daran, dass es sich auf eine der Mendelssohnschen Orgelsonaten bezog. Ach, und da gab es
noch eins, 1970/71 Jahre geschrieben, nŠmlich ãMo-PedÒ
fŸr Orgel und Motorrad: Eine gut dreiviertelstŸndige Komposition, die feinsten
Nuancen des Binnenklangs der Pfeifen nachspŸrt, indem ein Spieler auf einer
rein mechanischen Orgel mit unterschiedlichem Tastendruck die Ventile unter den
Pfeifen steuert, um den gerŠuschhaften Ansatz einzelner Pfeifen und vor allem
das Tanzen ihrer KlŠnge in den verschiedensten Obertonbereichen wahrnehmbar zu
machen, teils aufgenommen auf Tonband, teils live. Im ãGoldenen SchnittÒ der
weitgehend ruhig und filigran dahin flie§enden Musik schlie§lich brettert ein
Motorradfahrer in den AuffŸhrungsraum – bei der UrauffŸhrung 1973 in die
Ev. Kirche Am Schwarzen –, stoppt jŠh unmittelbar vor der Kanzel und
wŸrgt dort den Motor ab, wŠhrend die Musik der Orgel danach noch fragiler als
zuvor weiter gesponnen wird. Leider sind auch die milimetergenau
fixierte Partitur samt Aufnahmen dieser Musik, die ich in mŸhsamer,
wochenlanger Arbeit zusammen mit dem Schweizer Komponisten Max E. Keller an der
Orgel eines Orgelbauers am ZŸricher See aufnahm, verloren gegangen.
In der
Folge regte ich lieber Komponisten wie zum Beispiel Christian Wolff an, neues
fŸr Orgel zu schreiben, oder arrangierte und interpretierte ich mit den Mittel avangardistischer Techniken ausschlie§lich alte Musik, etwa
Bachs PrŠludium und Fuge a-moll, die F.C. Eschers Vexierbildern
Šhnelt, oder die Fantasie g-moll, in der sich Bach
gleich nach der Entwicklung der ãWohltemperierungÒ bis an ihre Šu§ersten
tonalen Grenzen vorwagte. Erst Ende des vorigen Jahrhunderts, als ich selbst
lŠngst das Konzertieren auf der Orgel aufgab bzw. zu Gunsten des Komponierens
aufgeben musste, entstand 1998 mit der graphisch-strukturell notierten
Pedal-Komposition ãTAPÒ wieder eine AnŠherung an das
Instrument, das mich selbst ob seines religišsen Balasts
und seiner historisch-kompositorischen ãBelastungÒ – wieviel
wunderbare Orgelmusik entstand seit Arnold Schlicks gut 500-jŠhrigem
10-stimmigen Werk ãAscendo ad patrem
meumÒ mit 6 Stimmen fŸr die HŠnde und 4 fŸr die
FŸ§e!!! – ziemlich hemmte, fŸr es zu schreiben. Vom Umgang mit dem
Klavier ahnte ich, dass es einer grŸndlichen kompositorischen Auseinandersetzung
bedarf, diese Hemmung abzulegen, und deshalb nahm ich den Anfang 2009 erteilten
Auftrag Johannes Bultmanns, ein neues Orgelwerk fŸr die Kuhn-Orgel der Essener
Philharmonie zu schreiben, gerne und dankbar an, allerdings dennoch bei
innerlich widerstrebenden GefŸhlen, was durchaus dem Titel noch nachzuempfinden
ist. Ein Titel, der aus dem Gedicht des koreanischen Dichters Ko Un stammt, das der Partitur vorangestellt ist und mich inspierierte, wie Bach seinerseits in der g-moll-Fantasie auch in meinem StŸck ãABER ...Ò nach
Grenzen zu suchen und subkutan Bach, doch auch die Geschichte danach anklingen
zu lassen, indem ich Liszt aufscheinen lasse, der aus seiner spŠten
Schaffensphase nicht nur unglaublich moderne Klavierwerke, sondern auch
faszinierend avancierte Kompositionen fŸr bzw. mit Orgel hinterlie§. So wurde
ãABER ...Ò nicht nur zu meinem ãerstenÒ Orgelwerk, sondern auch zu einer spŠten
Hommage an meinen Lehrer Gerd Zacher.
Gerhard StŠbler, Januar 2010