Hart auf hart. – Improvisatorisch. Kalkulativ, eine Musik fŸr Ensemble(s) (1986)
UA Essen 1986

 

"Hart auf hart." ist Titel und Hinweis auf den musikalischen Inhalt einer Musik fŸr Ensembles unterschiedlichster Besetzung. In gemeinsamer Arbeit legen Spieler die Dauer des StŸckes und den Rahmen anderer wichtiger Aspekte einer Komposition fest, wie z.B. die Zusammensetzung des Instrumentariums mit seinen Klang- bzw. GerŠuschcharakteristiken oder die Aufteilung der Schallquellen im Raum. FŸr den internen und Ÿbergeordneten Verlauf steht eine Graphik aus allbekannten Computer-lesbaren Preisschildern in unterschiedlicher Grš§e, die zunŠchst - so wie in der traditionellen Notenschrift - von links nach rechts interpretiert werden kann. Umstellungen, Auf-den-Kopf-Stellen, Von-hinten-herein-Spielen etc. ergeben Variationen, die bei genŸgender †bung auch "ineinander verwoben" werden und so eine weitere Verdichtung erzeugen kšnnen.

 

Dem graphischen Bild folgend, agieren einzelne Spieler oder Instrumentalgruppen zunŠchst "hart auf hart" gegeneinandergesetzt, dann sich zunehmend gegenseitig durchdringend. Im Detail assoziieren Balken unterschiedlicher Dicke mit scharf abgesetzten ZwischenrŠumen "hart auf hart" und erwarten - musikalische - Interpretation. Diese erstreckt sich auf alle Bereiche einer Komposition und ergibt Spielanweisung: So kšnnen sich "hart auf hart" sehr laute und sehr leise, Ÿberlange und flŸchtig angetippte, Šu§erst hohe und extrem tiefe, geblasene und gestrichene, gezupfte und geschlagene, real schmerzende und sanft schmeichelnde, historisch belastete und unkonventionell lockere... musikalische Passagen einander ablšsen. Aber nicht nur das: Bei vertiefter BeschŠftigung - beim improvisierenden Komponieren bzw. beim komponierenden Improvisieren - beginnen sich die GegensŠtze zu Ÿberlagern, zu vermischen, begeben sich Extreme, aufeinandergeprallt in Auseinandersetzung.

 

Ein Dirigent, sofern nštig, ist Leiter der Diskussion des StŸckes und hat koordinierende Funktion. †ber das Ganze kann sich jedoch eine "Schleppnetz-Kontrolle" des Dirigenten oder einzelner  Spieler (mit einzelnen Spielern) legen, der/die mit Ziffern in der Graphik durchs Megaphon Šu§erst kurze (Staccato-)Anweisungen fŸrs Spiel erteilt/erteilen. Ziffern kšnnen dabei eine besonders starke AusprŠgung bestimmter Parameter oder Pausen bedeuten. Sie kšnnen auch dazu anregen zu springen (z.B. von einer Sieben zu einer anderen), d.h. einen plštzlichen Wechsel der Struktur vorzunehmen oder die Zugehšrigkeit zur bisherigen Instrumentalgruppe aufzugeben. Mit den Anweisungen, treffender Befehlen, wird versucht, einzelne Spieler bzw. Spielergruppen auszuschalten, Tendenzen zur Konfrontation abzublocken, Entwicklungen zu stoppen etc.

 

Die Spieler allerdings greifen die Anweisungen und Ziffern in ihrer Weise auf: WŠhrend "EingeschŸchterte" den EinwŸrfen des Dirigenten Folge leisten, werden andere durch solche Versuche bzw. Eigeninterpretationen der Ziffern in der Graphik ermuntert, interaktiv neue Gruppen verschiedener Grš§e entstehen zu lassen und ein zum Umfeld gegensŠtzliches Feld zu schaffen. 

 

Ein Einsatz von TonbŠndern und Videos (vorher prŠpariert) kann aktuelle RealitŠt - die historische Dimension eingeschlossen - ins musikalische Geschehen bringen.

 

"Hart auf hart." entwickelt somit - musikalisch - aus Konfrontation eine Anleitung zum genauen (Zu)hšren und zum kommunikativen Umgang mit akustischem Material.

 

Gerhard StŠbler

Februar 1986